Die parallele Entwicklung von Neon und Zeri
Wir
haben in der Vergangenheit darüber gesprochen, wie
wir Agenten entwerfen –
und wir sprechen eine
ganze Menge
darüber, wie
wir League-Champions machen.
Dieses Mal möchten wir mehr über die Entwicklung von Neon erzählen,
weil sie etwas anders abgelaufen ist als üblich. Aber zunächst eine
kurze Erinnerung.
Wir
entwerfen Agenten mit einem Prozess namens DNA. Ein Game Designer,
ein Narrative
Writer und ein Concept Artist
werden einem kommenden Agenten zugewiesen und anfangs gibt es nur
einen Ausgangspunkt – etwa ein Design, eine
Hintergrundgeschichte oder ein Diversitätsziel. Das könnte ein
weiterer Radiant sein, ein neuer Duellant für die Truppe oder das
Ziel, einen Charakter in einer anderen Region der Welt anzusiedeln.
Von
diesem Ausgangspunkt aus brainstormt das Kernteam (schließlich sind
viel mehr Leute darin involviert als nur die DNA) eine ganze Menge.
Sie spielen mit Ideen herum, erstellen Prototypen auf Papier,
schreiben Kurzbiografien und zeichnen Entwürfe für Konzeptbilder.
Langsam,
aber sicher haben wir dann einen Agenten, der sich einzigartig und
stimmig anfühlt und zum aktuellen Kader der Agenten etwas
Aufregendes beiträgt. Und plötzlich hat man dann 500 Dateien
namens fertigfertigFERTIGICHSCHWÖRE, Hunderte Animationen, Modelle,
die auf unerwartete Weise kaputtgehen, Soundeffekte, die aus
unerfindlichen Gründen abgespielt werden und warte, warum ist die
Gesichtstextur auf einmal auf den Händen … Oh, sieh an, wir
haben einen Agenten!
Er
wird veröffentlicht, die Möchtegerndesigner von Reddit kommen aus
ihren Löchern gekrochen, Twitter explodiert mit einer Unmenge an
Fanart
und jeder will im allgemeinen Chat des Spiels Rioter flamen.
Allerdings
ist das nicht Neons Geschichte.
Wir
sind auch im Internet unterwegs. Wir sehen die Fantheorien und die
Vergleiche von Neon und Zeri, dem neuesten League-Champ.
Und um es ein für allemal klarzustellen: Nein, sie sind nicht
dieselben Charaktere, sie sind nicht verwandt, aber sie wurden
von den League- und VALORANT-Teams in Abstimmung entwickelt.
„Wie hat das angefangen?“, fragst du dich. Wie so vieles hat es mit einem Plan begonnen, in diesem Fall von Agents Team Lead John „Riot MEMEMEMEME“ Goscicki und League Champions Team Lead Ryan „Reav3“ Mireles.
Vielleicht etwas rumspielen und gemeinsam Charaktere machen
„Vor
langer Zeit waren wir am Brainstormen, was wir für die
Veröffentlichung von Arcane (die
neue animierte Serie von League auf Netflix – schau sie dir
an)
machen könnten. Das war ein riesiges Ding für uns alle bei Riot,
also habe ich Goscicki gefragt, ob wir während des Events gemeinsam
einen Champion und einen Agenten herausbringen wollen“, erinnert
sich Mireles.
„Das
hat eine ganze Menge Sinn ergeben, viele Leute im Agenten-Team von
VALORANT – darunter auch Goscicki – haben davor an den
Champions gearbeitet und wir verfolgen sehr ähnliche Prozesse. Und
viele Riot-Spieler spielen sowohl League als auch VALORANT. Also
dachten wir, es wäre cool, wenn man diese zwei Charaktere in beiden
Spielen spielen könnte“, verrät Mireles.
„Ich
erinnere mich, dass wir sogar vor diesem Gespräch einander
Nachrichten zugeschickt und gesagt haben: ‚Eines Tages werden wir
gemeinsam Charaktere veröffentlichen. Eines Tages werden wir
zusammenarbeiten und das wird cool‘“, lacht Goscicki. „Und als
sich dann die Gelegenheit bot, dachten wir beide: ‚IST ES JETZT SO
WEIT???‘ Und ja, es war endlich so weit.“
Bevor
die Arbeit aber beginnen konnte, musste das Team herausfinden, was es
eigentlich machen würde.
League
und VALORANT sind sehr unterschiedliche Spiele mit sehr
unterschiedlichen Welten. Klar, beide sind kompetitive Online-Spiele,
entwickelt von einem kleinen Indie-Studio, das mit Vorliebe deinen
Lieblingscharakter nerft. Aber League spielt in einer Fantasy-Welt,
in der Champions mit ihren Fähigkeiten Kills einsacken. Hingegen
dreht sich VALORANT ums Schießen und man macht mit Fähigkeiten
(angeblich) keine
Kills. Sie eröffnen nur taktische Möglichkeiten, um den perfekten
Treffer zu landen.
Also
mussten Mireles und Goscicki etwas grundlegende Arbeit leisten, bevor
die Entwicklung richtig losgehen konnte.
„Wenn
eines der Teams beginnt, haben wir normalerweise eine gute
Vorstellung von unseren Zielen. Bei Zeri und Neon hingegen …
wussten wir nicht wirklich, wie das aussehen sollte“, gibt Mireles
zu.
„In
League haben wir Diversitätsziele
in Bezug auf Rolle, Region, Geschlecht und Spielweise. VALORANT
verfolgt auch die meisten dieser Ziele – aber sie
unterscheiden sich stark von dem, was wir in League machen. Also
mussten wir etwas finden, das für beide Spiele gut und
für unsere Spieler aufregend ist. Was nützt es schließlich, wenn
niemand diese Charaktere spielen will?“, fragt Mireles.
Die
Charaktere mussten also auch eigenständig funktionieren. Natürlich
spielen viele von uns beide Spiele, aber die meisten Spieler
entscheiden sich für eines und bleiben dabei. Ein stummer
K-Pop-Herzensbrecher wie Aphelios
in League, der Gegner mit magischen Mondwaffen ausschaltet, die er
von seiner im Weltraum lebenden Schwester bekommt, wäre zwar für
VALORANT eine nette Idee, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass
sie auch funktioniert.
Alte Freunde und gute Absichten beiseite … wie zum Henker entwirft man also gemeinsam einen Champ und einen Agenten? Die Antwort ist überraschend einfach: Man kombiniere die Teams.
Blitze können zweimal einschlagen
„Ich
bin ein riesiger
VALORANT-Fan. Als das Spiel veröffentlicht wurde, habe ich zu
einigen Game Designern im Team gesagt: ‚Ich würde echt irgendwann
mal gerne einen Agenten machen …‘ Als sich also diese
Gelegenheit bot, habe ich mich auf sie gestürzt“, lacht Game
Designer August „August“ Browning. „Zwei Charaktere in
Abstimmung zu entwickeln bedeutete viele neue Einschränkungen, was
für einen Designer eine aufregende Abwechslung ist. Wir mussten eine
gemeinsame Energiequelle finden – etwas, das sowohl in League
als auch in VALORANT funktioniert. Wir mussten herausfinden, ob sie
gegensätzliche oder einander ergänzende Charakterzüge haben
sollten … Es stellten sich so viele Fragen, die beantwortet
werden mussten.“
Fangen
wir mit der Energiequelle an.
Wenn
es um Energiequellen für Champions geht, ist League eine Welt voller
endloser Möglichkeiten. Da gibt es einen Weltraumdrachen,
der den Kosmos erschaffen hat,
eine
Puppe mit einer magischen Schere
und wortwörtlich einen Berg
(der sich mit seiner Ult richtig schnell bewegen kann – besser
nicht darüber nachdenken). VALORANT hat zwei: Technologie und
Radiants.
Raze wirft Granaten, Killjoy verwendet Bots und Cypher ist ein kleiner Inspektor Gadget. Phoenix wirft mit Feuer um sich, Jett setzt den Wind ein und Sage belebt ihre Verbündeten vor dem Visier einer gegnerischen Operator wieder. Das Team hat also beschlossen, gemeinsam nach Ideen für eine geteilte Energiequelle in beiden Spielen zu suchen.
In
den Brainstorms sprachen die Concept Artists Konstantini „Zoonoid“
Maystrenko, Nancy „Riot Sojyoo“ Kim und Gem „Lonewingy“ Lim
über die gemeinsamen Nenner in League und VALORANT. Der erste war
Geschwindigkeit.
VALORANT
belohnt Spieler für gute Rotationen, mutiges Spähen, leises
Flankieren und Blenden des eigenen Teams, wenn es auf das Areal
vorrückt. In League geht es hingegen darum, auf
der mittleren Lane vorzupreschen
und Flanken-Teleports
vorzubereiten, damit der übermächtige Toplaner im Alleingang Türme
niederreißen kann. Es gibt zwar haufenweise Agenten, die richtig
mobil sind (nerft Jett), aber es gibt keine, die wortwörtlich
Geschwindigkeit verkörpern.
„Neons
konstanter
Zugriff auf Geschwindigkeit macht sie zur mobilsten Agentin in
VALORANT“, erklärt Game Designer Ryan „rycou“ Cousart. „Sie
stellt alles, was wir im Spiel über Geschwindigkeit und Mobilität
wissen, auf den Kopf und wird die spontane Entscheidungsfähigkeit
von Spielern vor eine große Herausforderung stellen. Hohes
Risiko wird auf elektrische Weise belohnt.“ :) LOL (Cousart
hat darauf bestanden, dass dieser Spruch im Blog landet.)
„Schnell
bewegen“ ist aber keine Energiequelle. Klar macht es Spaß, um das
gegnerische Team herumzulaufen, aber was kann sie außer „richtig
schnell laufen“ wirklich machen?
Also hat das Team nach einer Energiequelle gesucht, die erklärt,
warum
Neon und Zeri so schnell sind.
„Wir sind bei Elektrizität gelandet, die zur Vorstellung von Geschwindigkeit passt“, verrät Lim. „Und das passte auch gut zu den Herkunftsorten dieser Charaktere in der echten Welt: den Philippinen. Ich bin in Manila aufgewachsen und wir wollten philippinische Charaktere entwickeln – das bedeutet mir persönlich sehr viel. In Manila gibt es oft Stromausfälle und allgemein Probleme mit Elektrizität. Das hat sich wie eine nette Anspielung auf das Leben dort angefühlt.“
Neons „Negativ geladen“-Pflaster und Zeris „Positiv geladen“-Pflaster wurden hinzugefügt, um ihre „entgegengesetzte Ladung“ hervorzuheben
Blitze
passten also zu dem, wer
diese Charaktere schließlich wurden.
„Als
wir die Konzeptbilder zu Elektrizität sahen, haben wir uns an dem
narrativen Konzept von positiv und negativ orientiert. Sowohl Neon
als auch Zeri kämpfen für ihre Gemeinschaften, aber sie sollten
trotzdem eigenständige Leute sein“, erklärt Narrative Writer
Michael „SkiptoMyLuo“ Luo.
„Neon ist die negative Ladung, Zeri die positive. Neon ist kratzbürstig und zurückhaltend – unverblümt, sarkastisch und etwas bissig. Sie wirkt abweisend, aber tief in ihrem Inneren sind ihr ihre Leute wichtig und sie will das Richtige tun. Im Vergleich zu Zeris warmem, strahlendem – aber trotzdem gelegentlich sturem und ungeduldigem – Charakter war das eine coole Art, die Elektrizität-Thematik in der Persönlichkeit widerzuspiegeln“, ergänzt Luo.
Sowohl
Neon als auch Zeri kommen aus großen, liebevollen Familien und
Gemeinschaften – inspiriert vom „Bayanihan Spirit“ der
philippinischen Kultur –, sie unterscheidet aber, wie sie
darauf reagieren.
„Neon stammt aus einer großen Familie im Herzen von Manila“, erklärt Narrative Writer Joe „Riot ParmCheesy“ Killeen. „Anders als Zeri, die die Liebe und Unterstützung ihrer Familie begrüßt, ist Neon davon überwältigt. Sie liebt sie und fühlt sich ihrer Gemeinschaft stark verpflichtet, aber sie ist verschlossener. Das sind einfach unterschiedliche Reaktionen auf ähnliche Familienverhältnisse, die uns bei der Entwicklung dieser Charaktere eine coole Möglichkeit geboten haben.“
„Warum nicht?“
Die
gemeinsame Arbeit an diesen Charakteren hatte aber auch ihre Tücken.
Wir sind zwar eine Firma, aber wir sprechen trotzdem von zwei völlig
verschiedenen Spielen.
„August
hatte früh in der Entwicklungsphase einige … interessante
Ideen für das Gameplay“, lacht Cousart. „Wir wussten, dass
Geschwindigkeit eine große Rolle spielen würde, und er hatte die
Idee, dass Neon jederzeit sprinten können sollte. Ohne Abklingzeit.
Mithilfe von Geschwindigkeit können wir konsistente Erlernbarkeit in VALORANT schaffen. Profis und erfahrene Spieler wissen ganz genau, wie lange man von Areal zu Areal braucht. Die Vorstellung, das alles auf den Kopf zu stellen, hat uns richtige Alpträume bereitet“, ergänzt er.
„Ich habe Neon eine Pistolengeste gegeben, weil August wollte, dass Zeri eine Waffe im VALORANT-Stil benutzt. Deshalb wollte ich, dass Neon keine Waffe hält“, so Cousart.
Eine
andere frühe Idee für das Design von Neon war eine
BLITZHÄNDE-Mechanik, die Gegner mit einem Schuss töten kann, beim
Laufen völlig treffsicher ist und bei Kills erneuert wird (beschwer
dich bitte nie wieder, dass etwas übermächtig ist). Das war zwar
eine sehr einzigartige Fähigkeit für einen Agenten, aber es war
ganz einfach zu viel. Also musste das Team einige Einschränkungen
beim Design festlegen: Keine Fähigkeiten, die mit einem Schuss
töten. Abklingzeit für den Sprint? Ähhh … Darüber müssen
wir sprechen.
Neon
dreht sich darum, schnell
zu laufen und dabei Leuten Stromschläge zu versetzen. Als wir ihren
Zugriff auf Geschwindigkeit einschränkten, fühlte sie sich ziemlich
lahm an. Also standen August und Cousart vor einer schwierigen Frage:
Lohnt es sich, alles, was wir über Bewegung in VALORANT wissen, in
Frage zu stellen?
„Wir
haben beschlossen, Neon jederzeit und ohne Abklingzeit konstanten
Zugriff auf Geschwindigkeit zu geben“, verrät August. „Anstelle
der Abklingzeit haben wir die Macht der Geschwindigkeit auf andere
Weisen eingeschränkt. Zum Beispiel, dass sie bei hoher
Geschwindigkeit ihre Waffen nicht verwenden oder gefahrlos um Ecken
spähen (Jiggle Peeking) kann. Man ist also in Gefahr, wenn man ihre
Geschwindigkeit einsetzt – vergleichbar mit einem mächtigeren
Lauf mit gezücktem Messer. Insgesamt hat das für unsere Vorstellung
von ihr mehr Sinn ergeben – nämlich die Vorstellung, dass sie
längere Zeit schnell laufen kann.“
„Dank
August haben wir die Weise, wie wir Agenten (nicht nur Neon)
entwerfen, neu überdacht“, so Cousart. „Jedes Mal, wenn er auf
eine unserer Designbarrieren für VALORANT gestoßen ist, hat er nur
gefragt: ‚Warum nicht? Warum können wir das nicht machen?‘ Das
hat uns viel beigebracht: Einerseits, warum sich VALORANT von League
unterscheidet. Aber andererseits haben wir auch erkannt, in welchen
Bereichen sich die Spiele ähneln.“
Cousart
fährt fort: „Ich will nicht behaupten, dass jede Barriere
eingerissen werden soll, aber wir haben gelernt, unsere bisherigen
Grenzen zu hinterfragen, anstatt immer Neues ausprobieren zu wollen.
Wir haben mehr über unser eigenes Spiel gelernt und wir denken jetzt
anders über das Design zukünftiger Agenten.“
Aber keine Sorge. Wenn du wirklich beunruhigt bist, was das für unsere nächsten Agenten bedeutet, können wir dir versichern: Der nächste ist garantiert kein Duellant.