Geh zur Artikelliste
12.12.20Entwickler

Eine Frage der Balance: Daten und die Erkenntnisse daraus

Teilen:

Hi, ich bin Brian Chang, ein Analyst und Mitglied des Insight-Teams für VALORANT. Bei mir ist Researcher Coleman „Altombre“ Palm. Wir wollen mit dir darüber sprechen, wie wir Daten nutzen, damit das Spiel ausbalanciert und unterhaltsam bleibt.

In diesem Artikel sprechen wir zunächst über unsere Einstellung zur Datennutzung, um das Spiel anzupassen. Dann zeigen wir dir ein Beispiel, an dem man sieht, wie wir einen Agenten auf Grundlage der Daten angepasst haben.

ZUR DATENNUTZUNG IN DER SPIELBALANCE

Das Hauptziel des Balance-Teams ist es, das Spiel für jeden Spieler fair zu gestalten. Hier kannst du den aufschlussreichen Artikel von David „MILKCOW“ Cole über die Spielbalance von VALORANT lesen.

Den größten Einfluss auf die Spielbalance haben die Daten, indem sie den Entwicklern Informationen über den Zustand des Spiels geben. Durch die Daten können wir herausfinden, wann deine Erfahrung nicht ideal ist.

In diesem Fall fungieren sie als ein Diagnosehelfer, der uns zeigt, welche Aspekte des Spiels angepasst werden müssen. Diese Daten können die Spieltelemetrie betreffen (z. B. ob die Siegesrate eines bestimmten Agenten zu hoch oder zu niedrig ist), oder aber uns Auskunft über die Spieler geben (z. B. ob die Mehrheit der Spieler nicht gerne gegen einen bestimmten Agenten spielt, weil es frustrierend ist).

Besonders zu Anfang geben wir uns Mühe, uns nicht ganz auf die Daten zu verlassen, wenn wir Balance-Entscheidungen für das Spiel treffen. Wir arbeiten noch nicht so lange mit VALORANT und wissen noch nicht so ganz, was „ausgeglichen“ in diesem Spiel genau bedeutet.

Beispielsweise wissen wir nicht, wie sehr eine Karte entweder Angreifer oder Verteidiger begünstigen kann, bevor die Spieler frustriert werden. Außerdem beeinflusst die Stärke und Beliebtheit von Agenten die Ausgeglichenheit von Karten, was alles noch komplexer macht. Eine Meta, die Wächter bevorzugt, würde die Karten zu Gunsten der Verteidiger beeinflussen. Eine Meta, die Duellanten bevorzugt, würde die Bedingungen für die Angreifer wahrscheinlich verbessern (und wenn man überlegt, wie Agenten Karten von Karte zu Karte beeinflussen, wird es noch chaotischer). Daten sind nicht das A und O der Spielbalance, sondern eher eines von vielen Werkzeugen, mit denen wir den Zustand des Spiels überprüfen können.

Allerdings haben wir immer die Spieldaten und das Feedback aus den Umfragen im Blick, damit wir besser verstehen können, wie die Daten mit der Ausgeglichenheit des Spiels zusammenhängen. Mit diesem besseren Verständnis können wir die Aspekte des Spiels, die nicht passen, schneller analysieren und anpassen.

WELCHE DATEN SAMMELN WIR?

Wir haben an allen möglichen Stellen im Spiel mehrere Datenpunkte, die uns dabei helfen, die Stärke/Gesundheit der jeweiligen Stelle einzuschätzen. Wir sammeln pro System unter anderem diese Daten:

  • Agenten: Siegesrate (nach Rang, Karte), Vorkommen (wie oft ein Agent ausgewählt wird), Eingewöhnungskurve (wie viele Spiele muss ein Spieler mit einem Agenten abschließen, um die „richtige“ Siegesrate dieses Agenten zu erreichen), Breite vs. Tiefe (breite Beliebtheit eines Agenten vs. Interaktionstiefe mit dem Agenten)
  • Karten: Siegesrate pro Seite (nach Rang), durchschnittliches Rundenergebnis pro Karte (ob und wo der Spike platziert wurde)
  • Waffen: Waffenbeliebtheit pro Runde, Waffen-Ausgeglichenheit (z. B. wie gut ein Spieler mit einer Vandal in einem Duell gegen einen Spieler mit einer Phantom abschneidet)


    Wir nutzen natürlich noch andere Statistiken, um mehr über den Zustand des Spiels zu erfahren, aber hoffentlich bekommst du so einen Eindruck davon, welche Daten wir sammeln.

    Agentenbalance: Die Fallstudie Sage

    Der Rest dieses Artikels wird sich um Sage drehen, eine Agentin, die seit ihrer Veröffentlichung ziemlich oft abgeschwächt wurde. Wieso passen wir sie dauernd an, und wie hat das ihre Stärke beeinflusst?

    WELCHER AGENT IST ZU STARK?

    Als erstes müssen wir festlegen, mit welchen Statistiken wir die Agentenstärke einschätzen. Bei League of Legends schauen wir uns die Nutzung (wie oft ein Champion ausgewählt wird) und die Siegesrate (% der pro Champion gewonnenen Spiele) an. Das wird dann in verschiedene Fähigkeiten-Gruppen aufgeteilt: vom Durchschnittsspieler bis hin zu den Profis.

    Uns fiel sofort auf, dass wir die Methode von League of Legends nicht auf VALORANT anwenden können. Unser Spiel arbeitet mit gespiegelten Matches, sodass ein Agent, der sehr stark ist (oder in fast allen Spielen auftaucht), eine Siegesrate von 50 % hat (weil er mit jedem Sieg auch eine Niederlage einsteckt).

    Um das Problem zu lösen, konzentrieren wir uns auf die nicht gespiegelte Siegesrate eines Champions (also wie oft er gewinnt, wenn das gegnerische Team diesen Agenten nicht verwendet). So sortieren wir die Spiele aus, in denen derselbe Agent in beiden Teams gespielt wird. Diese Methode birgt potenzielle Risiken (die Auswahl ist nicht immer neutral, aber darauf können wir hier nicht eingehen), doch diese nicht gespiegelte Siegesrate ist die beste Möglichkeit, mit Ingame-Daten die Stärke eines Champions zu ermitteln.

    So sahen die nicht gespiegelten Siegesraten im ersten Patch mit gewertetem Modus aus (Patch 1.02). Vergiss nicht, dass Sage vor diesem Patch zwei Mal abgeschwächt wurde: einmal in der geschlossenen Beta (Patch 0.50) und einmal im Veröffentlichungspatch 1.00.


    valorant_graph_1.jpg

    Zu der Zeit sah die Agentenverteilung in gewerteten Warteschlangen so aus. Das hängt teilweise damit zusammen, dass Sage einer der fünf kostenlosen Agenten war, die neuen Spielern zur Verfügung stehen, doch sie wurde trotzdem konsequent oft gespielt.


    valorant_graph_2.jpg

    WARUM IST EIN AGENT STARK?

    Die Daten haben deutlich gezeigt, dass Sage in einer ganz anderen Liga spielte. Ihre Siegesrate hat viele Diskussionen darüber losgetreten, wie wir sie ausgeglichener machen können.

    Bis jetzt haben die Daten uns gezeigt, welcher Agent zu stark war. Aber wir wollten auch verstehen, warum sie so stark war. Um das besser zu verstehen, haben wir uns mit verschiedenen Datenpunkten auseinandergesetzt:

    1. Die Gründe, die ihr uns in Umfragen und Unterhaltungen mit uns mitgeteilt habt
    2. Ausschläge von Agenten pro Seite (um zu verstehen, wie sich die Stärken von Sage als Angreiferin/Verteidigerin darstellen)
    3. Ausschläge von Agenten pro Rang (um zu verstehen, ob es Unterschiede gibt, die durch Spielerfähigkeiten entstehen)
    4. Fähigkeitenspezifische Daten (durchschnittliches geheiltes Leben pro Runde, Siegesrate, wenn Sage ihre Ult einsetzt, im Vergleich zu anderen Agenten, die ihre Ult einsetzen usw.)


      Alle diese Datenpunkte sollen uns Aufschluss darüber geben, welche Aspekte von Sage möglicherweise zu stark sind. Wir müssen darauf achten, dass wir einen Agenten nicht seiner Identität in VALORANT berauben, wenn wir ihn abschwächen. Wenn wir die größte Stärke jedes Agenten abschwächen, besteht das Risiko, dass er nichts Besonderes mehr ist. Mit diesen Daten machten sich unsere Designer daran, herauszufinden, wie man ein Spiel auch ohne Sage gewinnen kann, ohne ihre Rolle als Top-Unterstützerin zu untergraben.

      Vergiss nicht, dass die Daten nur ein Werkzeug sind, mit dem wir die Stärke eines Agenten einschätzen. Ein Großteil der Informationen darüber, welche Veränderungen sich für einen Agenten am besten eignen, kommt durch das Wissen und die Erfahrung der Designer. Unsere Design-Philosophie treibt das Spiel an und wir können noch so viele Daten sammeln – die helfen uns rein gar nichts, wenn unsere Design-Prinzipen nicht mehr das Herzstück der Spielbalance sind.

      Das Balance-Team hat sich letztendlich dafür entschieden, sowohl ihre Heilung als auch ihre Hinhaltetaktik auf verschiedene Weisen anzupassen. Ihre Heilung wurde allgemein gedrosselt (längere Abklingzeit, weniger Heilung pro Nutzung), während ihre Hinhaltetaktik mehr Raum für Konter zulässt (die Barrierensphäre manifestiert sich nicht sofort, die Verlangsamungssphäre hat jetzt einen geringeren Durchmesser).

      DER AKTUELLE STAND DER DINGE

      Wie ist der aktuelle Stand der Dinge nach diesen ganzen Änderungen? Hier siehst du die Statistiken von Sage in den gewerteten Warteschlangen von Patch 1.11:


      valorant_graph_3.jpg valorant_graph_4.jpg

      Sage ist immer noch recht stark. Sie war sogar immer schon in jeder Fähigkeitsklasse eine der drei stärksten Agentinnen. Sie wird jetzt auch nicht mehr so wahnsinnig häufig gespielt (nur noch etwa 50 %). In der Öffentlichkeit ist man jedoch der Meinung, dass wir sie zu sehr abgeschwächt haben; Umfragewerte zeigen, dass 38 % der Spieler der Meinung sind, dass Sage in Patch 1.11 zu schwach ist.


      valorant_graph_5.jpg

      WAS UNS ERWARTET

      Unseren Daten nach ist Sage aktuell recht ausgeglichen. Es gibt jedoch mehrere Faktoren, die wir in Zukunft gerne noch besser verstehen möchten:

      • Veröffentlichung von Agenten und Karten und wie sich das auf die Stärke der Agenten auswirkt: Durch die Veröffentlichung von Icebox und (vor allem) von Skye könnte uns eine Änderung der Meta bevorstehen, durch die Sage zu schwach wird. Hypothetisch könnte durch die Veröffentlichung eines anderen Agenten, der Verbündete heilen kann, eine Konkurrenz entstehen, durch die Sage an Bedeutung verliert (wir glauben nicht, dass das passiert, aber möglich ist es).
      • Daten von Profispielern: Wir arbeiten immer noch an unserem Verständnis von Daten der Profispieler und wie deren Daten unsere Balance beeinflussen sollten. Wenn wir die Daten aus professionellen Matches mit Radiant-Matches vergleichen, gibt es einen großen Unterschied bei der Agentenwahl und den nicht gespiegelten Siegesraten.
      • Öffentliche Wahrnehmung: Trotz der Ingame-Daten, die uns sagen, dass Sage ausgeglichen ist, zeigen uns die Umfragedaten, dass Spieler Sage für zu schwach halten. Wir werden überprüfen, wie sich diese Wahrnehmung mit der Zeit ändert (wenn sie das denn überhaupt tut), und welche Maßnahmen wir ergreifen, wenn sich die Wahrnehmung nicht ändert.


        Wenn du bis hierher gelesen hast: Vielen Dank, dass du uns auf diesem Ausflug in die Datenwelt des Balance-Teams von VALORANT begleitet hast. Hoffentlich hast du einen Überblick darüber bekommen, wie und warum welche Entscheidungen getroffen werden (und hoffentlich haben wir dich überzeugen können, dass Sage nicht völlig nutzlos ist …).

        Wirwarten

        Ähnliche Inhalte