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19.12.22Entwickler

VALORANT Data Breach: Der „9:3-Fluch“

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Wenn du schon ein Weilchen VALORANT spielst, hast du in ein paar deiner Matches bestimmt schon einmal vom „9:3-Fluch“ gehört. Oder vielleicht sogar während eines Champions-Matches. Wenn du uns das nicht glaubst, haben wir hier einen Clip von Shroud für dich, in dem er während eines VCT-Matches letztes Jahr über den Fluch redet.

Also, was soll dieser Fluch nun sein? Warum reden die Leute darüber? Gibt es ihn wirklich? Finden wir es heraus.

Willkommen zu „VALORANT Data Breach“.

Was ist der „9:3-Fluch“?

Irgendwann in den Jahren nach VALORANTs Veröffentlichung kam die Legende vom „9:3-Fluch“ auf. Spieler, die an diesen Fluch glauben, geraten schnell in Panik, wenn ihr Team zur Halbzeit mit 9:3 in Führung liegt. Laut Legende führt der Fluch dazu, dass das Team, das mit nur 3 Rundensiegen hinten liegt, eine ungewöhnlich hohe Chance hat, wieder aufzuholen. So kann es dann entweder das Spiel gewinnen oder es zu einem 12:12 bringen, was zu einer Verlängerung führt.

Aber was sagen die echten Daten?

Nach Zahlen

Das Insights-Team von VALORANT hat extra für diesen Artikel Daten aus einer Abfrage gesammelt, in der über 25 Millionen gewertete Matches ausgelesen wurden. Ein schönes, saftiges Häppchen an Daten.

Schauen wir uns zuerst eine einfache Grafik an – Die tatsächliche Comeback-Rate, also die Rate, in der die Teams in unserem Beispiel nach der Halbzeit wieder aufholen konnten. Für diesen Artikel haben wir uns dazu entschieden, ein Comeback als entweder einen Sieg mit 13 Punkten oder eine erzwungene Verlängerung des Teams, das zur Halbzeit zurücklag, anzusehen. Dabei achteten wir nicht darauf, ob es in der Verlängerung gewonnen oder verloren hat.

Beim Blick auf die durchschnittliche Comeback-Rate eines Teams in Relation zur Anzahl der Runden, die es zur Halbzeit zurückliegt, erkennen wir einen offensichtlichen Trend.

In 40,28 % der Fälle kann ein Team, das zur Halbzeit mit 5:7 zurücklag, noch gewinnen oder zumindest eine Verlängerung erzwingen. Ein Team, das mit 0:12 zurückliegt, kann nur in 0,05 % der Fälle gewinnen oder eine Verlängerung erzwingen – Das ist eine Chance von ungefähr 1 zu 2.000. Uff.

Wie du obigem Diagramm entnehmen kannst, hatten Teams mit einem Rückstand zur Halbzeit von 3:9 in insgesamt 25 Millionen Matches nur eine Chance von 11,18 % zu gewinnen oder ein Unentschieden zu erspielen. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Weitere Nachforschungen

Eine Chance von 11,18 %, einen Vorsprung von 9:3 zu verlieren, scheint nicht genug Gründe zu bieten, das Gerücht eines Fluchs in die Welt zu setzen.

Also hat das Insights-Team sich dazu entschieden, etwas Mathemagie zu nutzen, um hochzurechnen, wie ein Team unter gewissen Umständen theoretisch abschneiden sollte. Durch diese Hochrechnungen können wir erkennen, wie viel besser oder schlechter die Teams im Vergleich zu den mathematischen Quoten, die gegen sie sprechen, abschneiden.

Für die hochgerechneten Raten dieser zweiten Grafik hat das Team Faktoren wie Karte, Angreifer/Verteidiger und Runden, die zur Halbzeit gewonnen wurden, unter die Lupe genommen. Danach haben sie sich die tatsächliche Siegesrate dieser über 25 Millionen gewerteten Matches angeschaut.

Beispielsweise hat ein Team, das zur Halbzeit mit 4:8 auf Ascent zurückliegt, laut den Berechnungen eine Chance von Z %, das Spiel zu gewinnen. Als wir uns die Zahlen aber angesehen haben, fiel uns auf, dass die Chancen dafür tatsächlich bei Z+4,75 % lagen. Die Teams schaffen es also, die Chancen um fast 5 % zu übertreffen. Ab hier wird es interessant.

Wenn du dir die zwei Grafiken oben ansiehst, erwartest du vielleicht, dass es einen ähnlichen Abwärtstrend gibt wie bei den allgemeinen Comeback-Raten – Je mehr Runden man zurückliegt, desto geringer die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen. Stattdessen sehen wir aber einen großen Anstieg bei Runden, in denen es 8:4 oder 9:3 steht. 8:4 und 9:3 liegen dabei überraschend nah beieinander.

Wie gesagt, Teams mit einem Rückstand von 4:8 übertreffen die prognostizierten Erwartungen 4,75 % öfter, als sie sollten. Bei Teams mit einem Rückstand von 3:9 passiert das bei 4,41 % aller Matches. Das ist eine mehr als doppelt so hohe Chance wie bei den Punkteständen 7:5 oder 10:2. Dies trägt zum sprunghaften Anstieg der Daten bei Matches mit Punkteständen von 9:3 und 8:4 bei.

Was ist da also los?

Geld regiert die Welt (Schmeißt die Fuffies durch den Club)

In letzter Zeit wird viel über die Ökonomie geredet und in VALORANT ist das nicht anders. Das Insights-Team hatte den Verdacht, dass die Ökonomie eine große Rolle für die Wahrnehmung des „9:3-Fluchs“ spielt, da die Credits jedes Teams nach der Halbzeit zurückgesetzt werden.

Da unsere Prognosen in den obigen Abschnitten nicht auf die Ökonomie der Teams eingegangen sind, wollte sich unser Team die tatsächlichen Daten genauer anschauen. So konnten sie sehen, wie ein wirtschaftlicher Vor- oder Nachteil das Resultat eines Matches beeinflussen könnte, insbesondere bei einem 9:3 zur Halbzeit 9:3.

Da die ersten paar Runden jeder Matchhälfte oft recht ähnlich gespielt werden, war es dem Team wichtig zu wissen, wie die Ergebnisse dieser Runden die Statistik beeinflussen. Beim Visualisieren der Daten zeichnete sich dann ein sehr klares Bild davon ab, wie wichtig die Rücksetzung der Ökonomie zur Halbzeit tatsächlich ist.

Schauen wir also auf die tatsächliche Comeback-Rate für zurückliegende Teams, basierend auf verschiedenen Gewinnbedingungen nach der Zurücksetzung der Ökonomie im Zusammenhang mit dem Spielstand zur Halbzeit. Unseren Daten zufolge hängt die Comeback-Wahrscheinlichkeit davon ab, wie sich ein Team während der PÖB-Runde schlägt (PÖB ist unsere Abkürzung für die Pistolenrunde am Anfang einer Hälfte, der Ökonomie-Runde danach und/oder die Bonus-Einkommensrunde). Der Ausgang dieser Runde kann die Wahrscheinlichkeit eines Comebacks drastisch erhöhen oder verringern.

Dieser Grafik können wir entnehmen, dass Teams, die in den 25+ Millionen gewerteten Matches mit 3:9 zurücklagen, in nur 0,33 % der Matches siegreich waren, sofern sie alle drei PÖB-Runden nach dem Halbzeitwechsel verloren haben. Denn dadurch betrug ihr Punktestand dann 3:12. Auf der anderen Seite konnten Teams, die mit 3:9 zurücklagen und die PÖB-Runden gewannen, 36,33 % der Matches für sich entscheiden, ihren Punktestand auf 6:9 bringen und hatten obendrein noch einen riesigen ökonomischen Vorteil. Wenn man die ersten drei Runden nach dem Halbzeitwechsel gewinnt, liegen die Chancen, ein Match nach einem Rückstand von 3:9 zu gewinnen, also bei 1 zu 3. Verglichen mit dem Verlieren aller PÖB-Runden erhöht das Gewinnen ebendieser die Siegwahrscheinlichkeit um mehr als das 100-fache.

Das geht jetzt in eine ziemlich eindeutige Richtung, womit wir nicht gerechnet hätten. Wir können sogar noch bessere Voraussagen treffen, wenn wir diese Zahlen im Hinterkopf behalten.

Priorisieren der PÖB

Nochmals: Diese Zahlen sehen ziemlich eindeutig aus, wenn man rein die Statistik betrachtet. Aber genau das machen Statistiker eben nicht. Es ist wichtig, mehr Kontext hinzuzufügen, anstatt nur rohe Daten auszuwerten. Daher hat das Insights-Team ein paar mathematische Vorhersagen zusammengestellt, die verschiedene Variablen wie Karte, Angreifer/Verteidigerseite und Punktestand zur Halbzeit mit einbeziehen.

Als wir die hochgerechnete Comeback-Rate und reale Comeback-Rate miteinander verglichen, stellte sich heraus, dass mit der Zurücksetzung zur Halbzeit nicht zu spaßen ist. Für Teams, die das Ruder noch herumreißen wollen, sind die PÖB-Runden absolut essentiell.

Wir haben bereits erwähnt, dass ein Team, das zur Halbzeit mit 3:9 zurückliegt, eine Chance von 11,18 % hat, das Match zu gewinnen oder eine Verlängerung zu erzwingen. Wenn dieses Team es schafft, alle PÖB-Runden zu gewinnen, gewinnen sie Z+28,91 % ihrer Matches, wobei Z für die prognostizierte Siegchance zur Halbzeit steht. Wenn es aber alle PÖB-Runden verliert, fällt die Siegesrate auf Z-7 %.

Die PÖB-Runden zu gewinnen oder zu verlieren kann also entweder eine gesunde Comeback-Chance von 1 zu 3 oder eine eher unschöne Chance von 1 zu 300 bedeuten.

Also … Gibt es den „9:3-Fluch“ oder nicht?

Antwort: Es ist kompliziert.

Wenn du einer der Spieler bist, die denken, dass ein Vorsprung von 9:3 automatisch eine Niederlage bedeutet, dann sorry, aber das wurde widerlegt. Falls du aber den Fluch so deutest, dass sich ein Punktestand von 9:3 zur Halbzeit seltsam anfühlt, dann könntest du an etwas dran sein.

Dank unserer Statistiken können wir sicher sagen, dass die generelle Siegchance, wenn man mit 3:9 zurückliegt, viel niedriger ist als die Siegchance des gegnerischen Teams. Selbst mit einem Rückstand von 4:8 hätte man mehr Chancen auf einen Sieg. Hierzu gibt es aber einige Vorbehalte.

Wie wir in der zweiten Grafik gesehen haben, unterscheiden sich die realen Trends von 9:3-Punkteständen etwas von den Hochrechnungen im Verhältnis zu den anderen Ergebnissen in der Grafik. Also passiert etwas, wenn es zur Halbzeit 9:3 steht. Aber was?

Bekommen in Führung liegende Teams Angst? Werden zurückliegende Teams motiviert? Liegt es nur an der Ökonomie?

Hiermit erteilen wir unserer Forschungsleitung, Ash „Riot Kona“ Garret, das letzte Wort, um über die Ergebnisse zu sprechen.

„Ich persönlich denke, dass mit einem Punktestand von 9:3 nichts einhergeht, das Niederlagen verursacht. Eher ist es wahrscheinlicher, dass Spieler die Sicherheit, die ein Vorsprung von 9:3 bietet, einfach überschätzen“, so Ash. „Unseren Prognosen zufolge sollte ein Vorsprung von 9:3 auch bei gleich starken Teams nicht all zu selten vorkommen. Es könnte zwar Fälle geben, bei denen sich führende Teams durch Unterschiede im Können im Vorteil sehen, auch wenn dem nicht so ist. Dadurch wägen sie sich in Sicherheit. Das hinten liegende Team kann dann ein „ökonomisches und mentales Zurücksetzen“ zu seinem Vorteil nutzen – und vielleicht spielt ihnen die Legende vom „9:3-Fluch“ auch ein wenig in die Karten.

Wirwarten

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